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Labyrinth der Gedanken: Access Kafka in Berlin

Die Ausstellung „Access Kafka“ im Jüdischen Museum Berlin bietet eine faszinierende Reise in die Gedankenwelt Franz Kafkas. Mit über 130 seltenen Manuskripten, Zeichnungen und Briefen lädt die Schau zu einer interaktiven und spannenden Entdeckungsreise durch sechs Themenräume ein.

Mit Access Kafka lädt das Jüdische Museum Berlin zu einer außergewöhnlichen Expedition in die Gedankenwelt Franz Kafkas ein. Zum Abschluss des Kafka-Jahres 2024, in dem sich sein Todestag zum 100. Mal jährte, ist hier ein eindrucksvolles Mosaik aus Originaldokumenten, zeitgenössischer Kunst und innovativen Perspektiven auf den rätselhaften Schriftsteller entstanden. Wer sich auf diese Schau einlässt, betritt ein Labyrinth aus Texten, Bildern und Assoziationen – genau wie in Kafkas Werk, wo sich Türen auftun, nur um sich wieder zu verschließen.

Hintergrund: Kafka und seine Welt

Franz Kafka (1883-1924) zählt zu den rätselhaftesten und zugleich einflussreichsten Figuren der Weltliteratur. Seine düsteren, surrealen Erzählungen über Bürokratien, Identität und Zugehörigkeit scheinen wie geschaffen für das 21. Jahrhundert. Doch Kafka ist weit mehr als nur das Sinnbild existenzieller Verlorenheit – seine Texte sind voller Ironie, Tiefe und sogar einer unterschwelligen Leichtigkeit. Access Kafka greift diesen Facettenreichtum auf und schafft eine Ausstellung, die zwischen Kunst, Geschichte und der Frage nach dem eigenen Platz in der Welt oszilliert.

Die Ausstellung: Zugänge zu Kafka

Die Ausstellung versammelt über 130 seltene Manuskripte, Zeichnungen und Briefe von Kafka – darunter wertvolle Leihgaben aus Israel und Oxford, die in Deutschland erstmals zu sehen sind. Doch Access Kafka ist mehr als eine literaturhistorische Schau. Sie ist ein Spiel mit Zugängen: Besucher werden eingeladen, die Räume in beliebiger Reihenfolge zu erkunden, sich von Kafkas Worten treiben zu lassen und seine Gedanken mit denen zeitgenössischer Künstler in Verbindung zu setzen.

Die sechs Themenräume:

  • Access Denied: Türen, die verschlossen bleiben, und das ewige Warten vor dem Gesetz.
  • Access Judentum: Die Ambivalenz von Zugehörigkeit und Fremdsein.
  • Access Wort: Kafkas Sprache als Spiegel seiner Innenwelt.
  • Access Gesetz: Die groteske Logik der Bürokratie.
  • Access Raum: Orte ohne Orientierung, von Hotelfluren bis zu Labyrinthen.
  • Access Körper: Der Mensch als Kunstfigur – von Kafkas Hungerkünstler bis zu den Körperbildern Maria Lassnigs.

Ein besonderes Highlight sind die QR-Codes, die einen digitalen Dialog zwischen Kafka, den Künstler und den Besucher ermöglichen. Wer sich darauf einlässt, entdeckt Kafka in völlig neuer Weise – als lebendigen Gesprächspartner, dessen Fragen auch heute noch nichts an Aktualität verloren haben.

Eine Ausstellung mit Tiefgang

Access Kafka begeistert durch seine Offenheit: Es gibt keine festgelegte Reihenfolge, kein starres Narrativ, sondern ein Netz aus Assoziationen. Die Ausstellung fordert dazu auf, Kafka nicht als museales Monument zu betrachten, sondern als Inspirationsquelle. Besonders spannend ist die Gegenüberstellung mit Werken von Anne Imhof, Maria Eichhorn und Hito Steyerl, die Kafkas Themen auf überraschende Weise in die Gegenwart transportieren. Einziger Wermutstropfen: Die im Vorfeld angekündigte Auseinandersetzung mit Künstlicher Intelligenz bleibt leider aus – höchstens in der ironischen Initialen-Parallele „AI“ von Anne Imhof ist eine subtile Anspielung zu finden.

Kafka 2025: Ein Autor in unserer Zeit

Kafka erlebt heute eine bemerkenswerte Renaissance – seine Werke sind relevanter und zugänglicher denn je. Seine Geschichten finden nicht nur in traditionellen Ausstellungen Beachtung, sondern erreichen auch eine neue Generation durch soziale Medien. Auf Plattformen wie TikTok verzeichnet der Hashtag #Kafka Millionen von Aufrufen, während junge Menschen seine zeitlosen Themen für sich neu entdecken und interpretieren. Access Kafka ist Teil dieser weltweiten Wiederentdeckung und steht im Dialog mit anderen bedeutenden Kafka-Ausstellungen unserer Zeit.

Weitere Kafka-Ausstellungen: Künstliche Intelligenz in Marbach

Besonders bemerkenswert ist die Ausstellung Kafkas Echo im Literaturmuseum der Moderne in Marbach. Hier wird Kafkas Werk mit modernen Technologien erfahrbar gemacht – insbesondere durch den Einsatz von Virtual Reality. Besucher können im Kafka-Lab mit VR-Brillen tief in die Welt von Der Prozess eintauchen und erleben die klaustrophobische Atmosphäre der Erzählung in einer digitalen Umgebung. Darüber hinaus experimentiert die Ausstellung mit KI-generierten Kafka-Texten, die auf Grundlage seiner Manuskripte neue, kafkaeske Szenarien erschaffen. Diese innovative Herangehensweise stellt eine spannende Ergänzung zu Access Kafka dar und zeigt, wie vielseitig Kafka heute interpretiert und vermittelt wird.

Der Ausstellungskatalog: Eine wertvolle Ergänzung

Zur Ausstellung ist ein umfassender Katalog erschienen, der nicht nur als Begleitmaterial dient, sondern eine tiefgehende Auseinandersetzung mit Kafka und der kuratorischen Konzeption ermöglicht. Neben detaillierten Hintergrundinformationen zu den Exponaten enthält der Katalog Essays renommierter Literaturwissenschaftler, Kunsthistoriker und zeitgenössischer Künstler, die Kafkas Einfluss auf die Gegenwartskunst analysieren. Hochwertig gestaltet und reich bebildert, ist dieser Katalog eine wertvolle Ergänzung für alle, die sich intensiver mit Kafka und den Interpretationen seiner Werke auseinandersetzen möchten.

Diese Ausstellung ist ein Geschenk für alle, die Kafka neu oder tiefer entdecken möchten. Sie stellt Fragen, statt Antworten zu liefern, und öffnet Räume, statt sie zu schließen – genau wie Kafkas Werk. Wer sich auf diesen Dialog zwischen Vergangenheit und Gegenwart einlässt, wird am Ende vielleicht nicht mehr wissen, was er oder sie über Kafka gedacht hat – aber genau das ist der Zauber seiner Texte.

Praktische Informationen

  • Ort: Jüdisches Museum Berlin, Lindenstraße 9-14, 10969 Berlin
  • Dauer: Seit 12. Dezember 2024, noch bis 4. Mai 2025
  • Führungen: Termine u.a. am 25. Februar, 6. März und 8. April
  • Begleitprogramm: Lesungen, Diskussionen, ein lesenswerter Katalog
  • Website: www.jmberlin.de