
Ein Fest für die Sinne – und eine Rübe im Mittelpunkt
Am Sonntag, 28. September 2025, wehte in Teltow-Ruhlsdorf wieder der unverwechselbare Duft nach frisch gekochten Spezialitäten durch die Guterfelder Straße. Rund 40 Stände erstrecken sich über mehr als 500 Meter, etwa 6.000 Besucher drängen sich entlang der Buden. Es riecht nach Rübchentorte, Bratwurst und sogar nach einer neuen Überraschung: Pesto mit Walnuss, frisch vom Förderverein für das Teltower Rübchen e.V. – köstlich, aber noch nicht käuflich. Musikgruppen sorgen für Stimmung, Kunsthandwerk und Schmuck wechseln die Besitzer. Wer von weiter her anreisen musste, brauchte dieses Jahr etwas Geduld: Kein Shuttle-Bus, nur eine stündlich fahrende Linie. Doch wer es geschafft hat, der taucht in ein Fest voller Charme ein.



Ein Diamant im märkischen Sand
Warum der Trubel um eine kleine, unscheinbare Rübe? Das Teltower Rübchen (Brassica rapa subsp. rapa f. teltowiensis) ist mehr als nur eine Feldfrucht. Schon seit dem 17. Jahrhundert wächst es hier auf den kargen Sandböden, die ihm seinen unverwechselbar würzig-süßlichen Geschmack verleihen. Dichter wie Goethe schwärmten davon und ließen sich Kisten nach Weimar liefern. Friedrich der Große sah darin ein Mittel, den märkischen Boden nutzbar zu machen. Selbst Napoleon brachte das „navet de Teltow“ nach Frankreich. Fast vergessen in der DDR, wurde es von engagierten Hobbygärtnern und seit 1998 durch den Förderverein wiederbelebt – heute sogar als geschützte geografische Angabe.
Von der Armenküche zur Delikatesse
Einst als „Arme-Leute-Essen“ verschrien, fand das Rübchen seinen Weg an die Tafeln der Höfe und in die Briefe berühmter Denker. Seine Stärke: eine Balance aus süßer Erdigkeit und pikanter Schärfe, hervorgerufen durch doppelt so viele Zucker- und Senföle wie bei anderen Rüben. Seine Saison ist kurz, von Ende September bis in den Winter hinein – und das macht es umso begehrter. Das klassische Rezept, das schon Goethe liebte: in Butter und Zucker glasiert.
Kulinarik, Gesundheit und ein bisschen Glamour
Heute steht das Rübchen für regionale Spitzenküche. Ob als Suppe, Beilage oder modern interpretiert in veganen Gerichten – es punktet mit Vitaminen, Mineralien und seinem einzigartigen Aroma. Und es kann mehr als deftig: Auf dem Fest gibt es Rübchenschnaps, Senf, Grillsoßen, sogar Kuschelrübchen aus Stoff. Es ist längst ein Kulturgut, ein „Diamant im märkischen Sand“, der sich nicht hinter dem Beelitzer Spargel verstecken muss.
Spargel-Glanz und Rüben-Schatten
Doch warum kennt jeder den Spargel – und nur wenige das Rübchen? Beide brauchen Sandboden, beide haben ein eigenes Fest, beide gelten als Delikatesse. Der Unterschied: Spargel hat es geschafft, zum Symbol des Frühlings zu werden. Das Rübchen dagegen bleibt noch ein Geheimtipp für Feinschmecker. Vielleicht liegt gerade darin sein Reiz: ein Schatz, den man entdecken muss.



Zurück auf dem Fest
Während die Sonne langsam sinkt, strömen die Menschen weiter durch die Gassen. Man nippt am Rübchenwein, probiert das neue Pesto, kauft Samen für den eigenen Garten. Das Teltower Rübchenfest ist nicht nur eine Hommage an ein Gemüse – es ist ein Aufruf, regionale Schätze neu zu entdecken. Wer heute dabei war, hat es gespürt: Diese kleine Rübe ist groß im Geschmack und reich an Geschichte.