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Pompeji in Berlin: Immersives Spektakel oder teurer Kurztrip in die Antike? Ein Erfahrungsbericht

Virtuell durch Pompeji reisen? Die Berliner Ausstellung „Die letzten Tage von Pompeji“ verspricht ein immersives Erlebnis. Doch lohnt sich der Besuch wirklich? Zwischen beeindruckender Technik und fehlendem Tiefgang bleibt ein gemischter Eindruck zurück.

Als Chronist der digitalen Gegenwart und Freund historischer Tiefen zog es mich in das New Media Art Center auf dem RAW-Gelände in Berlin. Die immersive Ausstellung „Die letzten Tage von Pompeji“ verspricht eine Zeitreise in die reiche römische Stadt kurz vor ihrem dramatischen Untergang im Jahr 79 n. u. Z. Angesichts der rasanten Entwicklungen in den Bereichen VR und immersive Erlebnisse, über die ich regelmäßig berichte, und meinem Interesse an der Antike, war die Erwartungshaltung hoch. Die Ausstellung, die ursprünglich in Madrid große Erfolge feierte und mit Preisen ausgezeichnet wurde, ist bis in den Sommer 2025 in Berlin zu sehen. Doch der Besuch hinterließ bei mir gemischte Gefühle.

Der Eintrittspreis, der je nach Wochentag und Ticketkategorie variiert und ab 22 Euro beginnt, zuzüglich optionaler Add-ons, ist nicht unerheblich. Offiziell wird eine Besuchsdauer von ca. 90 Minuten empfohlen. Mein persönlicher Eindruck war jedoch, dass man deutlich schneller durch ist, wenn man sich nicht intensiv mit jedem Winkel beschäftigt. Dies wirft die Frage nach dem Preis-Leistungs-Verhältnis auf, insbesondere wenn man die Tiefe des vermittelten Inhalts betrachtet.

Die Ausstellung ist in verschiedene Bereiche gegliedert, die aber eher als Stationen eines ungeführten Rundgangs wirken. Der erste Bereich dient als eine Art Einführung. Hier finden sich einige Informationstafeln, ausgewählte Repliken und Artefakte, die unter der Lava und Asche gefunden wurden. Man erhält einen ersten Einblick in die Stadt, das Römische Reich und die Epoche. Auch die berühmte Technik der Gipsabgüsse, die Hohlräume der verwesten Körper sichtbar machte, wird hier thematisiert. Es wird erklärt, dass dies Formen der Körper und Kleidung sind, keine echten Leichen. Obwohl die Detailtreue der Gipsabgüsse beeindruckend ist, wirken diese einführenden Bereiche eher klassisch und dienen primär der Vorbereitung auf das, was folgt.

Das Herzstück der Ausstellung sind zweifellos die immersiven und VR-Erlebnisse. Ein Teil davon ist das VR-Erlebnis mit 3D-Brillen. Hier nimmt man auf einem Hocker Platz und wird per VR-Brille in ein dicht besetztes Amphitheater versetzt, um Zeuge eines Gladiatorenkampfes zu werden. Die Möglichkeit, sich in der virtuellen Umgebung um 360 Grad umzusehen, ist technisch eindrucksvoll. Obwohl die Szene intensiv ist und das Gefühl vermittelt, „mittendrin“ zu sein, wirkt sie aus meiner Sicht etwas kurz und inszenatorisch seltsam (z.B. das plötzliche Fluten des Amphitheaters in einer Szene).

Der beeindruckendste Teil der Ausstellung ist für mich der große immersive Saal. Hier wird auf Wände, Decke und Boden projiziert. Das Gefühl, von den Effekten „angeflogen“ zu werden ist intensiv. Eine kurze, technisch gut umgesetzte Sequenz zeigt den Ausbruch des Vesuvs, die Zerstörung der Stadt und die spätere Wiederentdeckung der Ruinen im Jahr 1748. Die digitalen Effekte sind visuell stark und schaffen eine Atmosphäre des Untergangs und der Wiederentdeckung. Allerdings läuft diese kurze Präsentation in einer Endlosschleife, und aus historischer Sicht bleibt die Informationsvermittlung auf der Strecke. Man lernt tatsächlich nicht viel Neues über Pompeji oder den Ausbruch hinaus.

Genau hier liegt meine Hauptkritik. Die Ausstellung setzt stark auf das Wow-Erlebnis der Technologie, vernachlässigt aber die inhaltliche Tiefe. Es fühlt sich an, als würde eine kurze Geschichte in spektakulärer Verpackung präsentiert, ohne das Potenzial der Immersion voll auszuschöpfen. Ich hätte mir gewünscht, virtuell durch die detaillierten Straßen Pompejis spazieren zu können, Häuser zu betreten oder an einer virtuellen Stadtführung teilzunehmen. Das Gefühl, „mittendrin“ zu sein, ist da, aber die Interaktion und Exploration bleiben sehr begrenzt. Es wirkt insgesamt eher wie eine „Erlebnispräsentation“ als ein klassisches Museum oder eine tiefgehende historische Aufbereitung.

Ein weiterer Punkt ist die fehlende Führung und weiterführende Information. Die Gänge sind kurz, man wird schnell durch die Bereiche geschleust. Es gibt keinen richtigen Guide, der durch die Ausstellung führt oder die Zusammenhänge erklärt. Auch ein umfassender Ausstellungskatalog, der die gezeigten Inhalte vertieft, scheint zu fehlen. Der Shop vor Ort bietet zwar Merch-Artikel, aber wenig begleitende Literatur. Für historisch Interessierte, die mehr als nur oberflächliche Eindrücke suchen, ist das enttäuschend.

Bedauerlicherweise habe ich bei meinem Besuch auch das Add-on „Metaverse Experience“ und den KI-Spiegel nicht gefunden. Das Metaverse Experience ist ein separater Teil der Ausstellung, der ein zusätzliches Ticket erfordert. Laut Beschreibung kann man hier als virtueller Avatar die Villa der Mysterien erkunden. Das klingt interessant, war aber ohne klare Wegweisung oder Hinweise vor Ort leicht zu übersehen. Der KI-Spiegel, der einen in einen Patrizier verwandeln soll, fiel mir ebenfalls nicht auf. Dies verstärkt den Eindruck, dass die Ausstellung in ihrer Struktur und Besucherführung optimierungsbedürftig ist.

Trotz meiner kritischen Anmerkungen in Bezug auf Inhaltstiefe und Preis sehe ich auch die Stärken der Ausstellung. Für Besucher, die wenig Berührungspunkte mit virtueller Realität haben oder klassische Museen als „trocken“ empfinden, bietet „Die letzten Tage von Pompeji“ zweifellos ein spannendes und zugängliches Erlebnis. Die immersive Technologie ist beeindruckend und kann gerade jüngere Besucher oder VR-Neulinge fesseln und für das Thema interessieren. Der Vergleich mit dem immersiven Pergamon-Panorama in Berlin drängt sich auf – auch hier steht das immersive Erlebnis im Vordergrund, wobei das Pergamon-Panorama durch die Nachbildung des Tagesablaufs mit Licht- und Toneffekten als besonders eindrucksvoll beschrieben wird.

Zusammenfassend ist „Die letzten Tage von Pompeji“ in Berlin ein visuell starkes, technisch beeindruckendes Erlebnis, das kurzweilig Unterhaltung bietet. Es ist jedoch weniger eine tiefgehende historische Ausstellung als vielmehr eine „Erlebnispräsentation“, die ihr Potenzial, die Antike wirklich erfahrbar zu machen, nicht voll ausschöpft. Der hohe Preis und die mangelnde inhaltliche Tiefe trüben den Gesamteindruck für mich als Historiker und technisch interessierten Beobachter, der mehr erwartet hätte. Wer jedoch ein kurzes, technisch ansprechendes Spektakel sucht und bereit ist, den Preis dafür zu zahlen, könnte hier auf seine Kosten kommen.

Weitere Informationen und Ticketbuchung unter:
https://pompeji-experience.com/berlin/